Europaweite Ausschreibungspflicht für Planungsaufträge
Nun wird es ernst: Die Bundesregierung hat im Februar 2023 einen Referentenentwurf vorgelegt, um die Vorschrift in § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV aufzuheben. Die Folge einer Aufhebung der bisherigen Regelung wäre eine Pflicht beinahe jede Planungsleistung europaweit auszuschreiben. Von der Kita bis zum Mehrfamilienhaus. Mit dem Gesetzgebungsverfahren reagiert die Bundesregierung auf das seit Jahren laufende Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland wegen der Auftragswertermittlung bei der Vergabe von Planungsleistungen. Anders als beim Verfahren der Kommission wegen der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI will Deutschland dieses Mal keine Entscheidung des EuGH erzwingen.
Die Interessenvertreter der Ingenieurinnen, Ingenieure, Architektinnen und Architekten hatten bereits im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens in zahlreichen Gesprächen mit der Politik und den Vertretern der Ministerien auf die Notwendigkeit der besonderen Auftragswertermittlung bei der Vergabe von Planungsleistungen hingewiesen. Mit einer umfassenden schriftlichen Stellungnahme wurden nun die Argumente nochmals vorgetragen.
Das Gesetzgebungsverfahren wird voraussichtlich im Frühsommer abgeschlossen sein – das Ergebnis lässt sich nicht vorhersagen – wenn auch die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass die fragliche Regelung ersatzlos gestrichen wird, mit erheblichen Folgen für die Planungswirtschaft: Bisher wurde der Auftragswert für jedes Leistungsbild der Leistungsphasen 1 bis 9 getrennt ermittelt, soweit hierfür ein eigener Planungsvertrag abgeschlossen werden sollte. Lag dieser Auftragswert oberhalb des Schwellenwertes von 215.000 Euro, wurde ein europaweites Vergabeverfahren durchgeführt. Zukünftig müssen – wie bei der Ermittlung des Auftragswertes bei Bauleistungen – alle für die Realisierung des Projektes anfallenden Planungshonorare addiert werden. Grundsätzlich muss dann für die Vergabe aller Planungsleistungen ein europaweites Verfahren durchgeführt werden.
Nach § 3 Abs. 9 VgV hat der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Planungsleistungen weiterhin die Möglichkeit einzelne Aufträge bis zu einem Honorarvolumen von bis zu 80.000 Euro auf der Grundlage der nationalen Vorschriften (UVgO, Landesvergabegesetze) zu vergeben. Von dieser Ausnahme darf der Auftraggeber jedoch nur für Aufträge bis zu einem Volumen von 20 Prozent des Gesamtauftragswerts Gebrauch machen.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die voraussichtlich zukünftig geänderte Ermittlung des Auftragswertes für die Vergabe von Planungsleistungen nicht bedeutet, dass nur noch Generalplanerleistungen vergeben werden. Der Vorrang der losweisen Vergabe bei öffentlichen Aufträgen gilt auch weiterhin, die Zusammenfassung von Fachlosen in einem Vertrag muss ausdrücklich begründet werden. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass nun deutlich mehr Verfahren für die Vergabe von Planungsleistungen europaweit bekannt gemacht werden müssen. Die Bundesregierung geht in der Begründung zum genannten Gesetzentwurf davon aus, dass rund 10.000 Planungsaufträge mehr als bisher nach der VgV abgewickelt werden müssen. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese Änderung in der Praxis haben wird.