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Gutachten bestätigt Rechtskonformität eines alternativen Beschaffungskonzepts

26. Februar 2024 | Nach der Streichung der vergaberechtlichen Regelung bei Planungsleistungen (§ 3 Abs. 7 Satz 2 VgV) besteht weiterhin große Verunsicherung bei öffentlichen Auftraggebern, wie die Auftragswertberechnung in diesem Bereich rechtssicher vorgenommen werden kann. Dies ist für die Frage bedeutsam, ob eine Ausschreibung abhängig vom Schwellenwert europaweit zu erfolgen hat.

Nach der Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV, der entscheidenden Vergaberegelung für Planungsunternehmen, ist noch immer offen, wie öffentliche Vergaben künftig zu handhaben sind. Erneut hat daher der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, den Ländern klarstellende Erläuterungen zur künftigen rechtssicheren Berechnung des geschätzten Auftragswerts bei der Vergabe von Planungsleistungen zu geben. Die bisher vorliegenden Erläuterungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zum Umgang mit der Regelungsänderung seien zu allgemein und keine Hilfe für die öffentlichen Auftraggeber.

Kammern und Verbände der planenden Berufe haben nun ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. jur. Martin Burgi vorgelegt, dem Leiter der Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Das Gutachten kann eine Lücke schließen und öffentlichen Auftraggebern und Vergabekammern als Entscheidungsgrundlage dienen. Im Gutachten weist Professor Burgi darauf hin, dass es eine weitere Vergabemöglichkeit gibt und diese in die Vergabepraxis einfließen sollte.

Sowohl die deutschen als auch die europäischen vergaberechtlichen Regelungen sehen vor, dass ein Auftraggeber frei wählen kann, ob er Planungs- und Bauleistungen getrennt oder gemeinsam, auch kombiniert mit einer Fachlosbildung, vergeben möchte. Bei diesem alternativen Beschaffungskonzept der gemeinsamen Vergabe geht das Vergaberecht davon aus, dass es sich insgesamt um einen Bauauftrag handelt. Demzufolge kommt der Schwellenwert für die Vergabe von Bauleistungen in Höhe von 5.538.000 Euro zur Anwendung und nicht der von Planungsleistungen in Höhe von 221.000 Euro.

Das Gutachten hebt zudem hervor, dass weiterhin der Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe einzuhalten ist. Dies bedeutet, dass die zu vergebenden Leistungen auch bei diesem Beschaffungskonzept in Fach- und Teillose aufzuteilen sind. Die Möglichkeit dieser Verfahrensweise hatte das BMWK in seiner Verordnungsbegründung zur Streichung von § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV angedeutet. Dass dieses Beschaffungskonzept rechtlich zulässig ist, bestätigt nun das Rechtsgutachten.

„Das alternative Beschaffungskonzept ist vergaberechtskonform, denn im Europarecht wird die sogenannte Beschaffungsautonomie des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers anerkannt. Der Ausübung seiner Beschaffungsautonomie sind insoweit keine Grenzen gesetzt“, bestätigt Professor Burgi in seiner Begründung. In letzter Konsequenz hat das alternative Beschaffungsmodell zur Folge, dass vergleichsweise häufig der Schwellenwert für Bauaufträge von 5.538.000 Euro erreicht oder überschritten wird. „Hierin liegt aus der Sicht des europäischen Binnenmarkts übrigens ein Vorzug“, so Professor Burgi.

Das Rechtsgutachten wurde gemeinsam von Bundesingenieurkammer, Bundesarchitektenkammer, AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V.) und dem Verband Beratender Ingenieure VBI in Auftrag gegeben.

1. Wieso ist die Frage eines alternativen Beschaffungskonzepts für die Vergabe von Planungsleistungen von Bedeutung?

Hintergrund ist die Frage, wie bei der Vergabe von Planungsleistungen der Auftragswert zu schätzen ist. Die Auftragswertschätzung ist bei allen Vergaben der erste notwendige Schritt, um zu beurteilen, ob ein Verfahren EU-weit auszuschreiben ist oder nicht. Diese Beantwortung hat dann wiederum Konsequenzen für das anzuwendende Vergaberecht. Wird der Schwellenwert überschritten, richtet sich die Vergabe nach den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), konkretisiert in der Vergabeverordnung (VgV) und der VOB/A-EU. Bleibt der Auftragswert hingegen darunter, kann nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) bzw. dem Vergabe- und Haushaltsrechtsrecht des jeweiligen Bundeslands vergeben werden. Für die Auftragswertberechnung bei Planungsleistungen enthielt die VgV in § 3 Abs. 7 Satz 2 eine Regelung, wonach diese für die Auftragswertberechnung nur zusammenzuzählen waren, wenn sie gleichartig sind. Darunter wurde allgemein verstanden, dass Planungsleistungen unterschiedlicher HOAI-Leistungsbilder, also insbesondere der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der technischen Ausrüstung, nicht zusammengerechnet werden müssen. Nachdem dieser Satz im August 2023 durch die Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU‑Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen (Drucksache 20/6118) gestrichen wurde, herrscht Unsicherheit darüber, wie jetzt zu verfahren ist. 

2. Ergibt sich aus der Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV nicht zwangsläufig, dass jetzt alle Planungsleistungen zu addieren sind?

Viele gehen davon aus, aber sicher ist das nicht. Einzelne Leistungen sind nur dann zusammenzuzählen, wenn sie, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt hat, in einem wirtschaftlichen und funktionalen Zusammenhang stehen. Bei Planungsleistungen ist dies z.B. mit Blick auf die einzelnen Leistungsphasen eines Leistungsbildes der Fall. Dies hat der EuGH im Autalhallen-Urteil (Urteil vom 15.03.2012 – C-574/10) entschieden. Ob gleiches auch bei unterschiedlichen Leistungsbildern gilt, ist vom EuGH bislang nicht entschieden worden. Klar ist nur, dass die Europäische Kommission diese Auffassung vertritt, die ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte, nachdem im Vergabeverfahren zur Sanierung des Freibads Elze die Planungsleistungen von Objekt- und Fachplanung nicht zusammengerechnet worden waren. Daher wird spätestens seit der Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV vielfach empfohlen, “aus Gründen der Rechtssicherheit” alle Leistungen zu addieren. Das bayerische Innenministerium hat hingegen in einem Rundschreiben vom 31.1.2024 zum Ausdruck gebracht, dass es davon ausgeht, dass in diesen Fällen der wirtschaftliche und funktionale Zusammenhang regelmäßig nicht gegeben ist, worin auch die eigentliche Rechtfertigung für den gestrichenen § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV lag. Ähnlich hatte sich zuvor bereits eine Autorin in einem Aufsatz geäußert (Kaiser, Auftragswertberechnung bei Planungsleistungen, NZBau 2024, 3). Es wird aber zugleich hervorgehoben, dass in jedem Einzelfall zu prüfen sei, ob dieser Zusammenhang nicht doch vorliegt. Jedenfalls muss die jeweilige Entscheidung im Vergabevermerk sorgfältig dokumentiert werden.

3. In welchem Verhältnis steht das alternative Beschaffungskonzept zu der bisher üblichen Ermittlung des Auftragswertes?

Die europäischen Vergaberichtlinien, die durch das GWB und die VgV in deutsches Recht umgesetzt worden sind, geben den öffentlichen Auftraggebern vielfältige Möglichkeiten, einen transparenten und gerechten Wettbewerb durchzuführen. Es gibt nicht das „eine“ Verfahren, das zur Anwendung kommen muss. Die öffentlichen Auftraggeber können aus diesen unterschiedlichen Regelungen diejenigen auswählen, die für den konkreten Beschaffungsvorgang am sinnvollsten sind. Das alternative Beschaffungskonzept ist nach dem von Prof. Martin Burgi erstellten Gutachten dabei eine Methode, den Auftragswert für die Durchführung eines Vergabeverfahrens zur Vergabe von Planungsleistungen zu ermitteln. Grundlage hierfür ist, dass dem deutschen „Auftragswert“ in der englischen Originalfassung der EU-Vergaberichtlinie der Begriff „Value of Procurement“ entspricht. Mit dem Begriff Procurement ist der durch den Auftraggeber durchzuführende gesamte Beschaffungsprozess gemeint. Der Begriff des Auftragswerts ist also nicht mit dem Wert des einzelnen abzuschließenden Auftrags/Vertrags identisch, sondern der Wert aller Verträge, die abgeschlossen werden müssen, um den Beschaffungsbedarf des Auftraggebers zu befriedigen. Diesen Ansatz, der sich schon aus § 3 Abs. 7 Satz 1 VgV ergibt, wonach der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen ist, hat bereits die Bundesregierung in der Begründung zu der oben genannten Verordnung, mit der § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV gestrichen wurde, ins Spiel gebracht.

4. Nach § 3 Abs. 6 Satz 2 VgV können Planungs- und Bauleistungen getrennt oder gemeinsam vergeben werden. Schließt die Alternative der „gemeinsamen Vergabe“ eine Fachlosbildung denn nicht zwangsläufig aus?

Nein. Die Bundesregierung hat in der Verordnungsbegründung zu Recht darauf hingewiesen, dass das in § 97 Abs. 4 GWB niedergelegte Gebot der losweisen Vergabe von der Frage der Auftragswertberechnung zu trennen ist. Dies ergibt sich auch schon aus den folgenden Überlegungen:

  • Gäbe es den vielfach angenommenen Zusammenhang zwischen der Möglichkeit, getrennt oder gemeinsam zu vergeben, und der losweisen bzw. nicht-losweisen Vergabe, verstieße § 3 Abs. 6 Satz 2 VgV gegen den in der Normenhierarchie höherstehenden § 97 Abs. 4 GWB. Vielmehr wäre es regelungstechnisch logisch gewesen, den Inhalt des § 3 Abs. 6 Satz 2 VgV in § 97 Abs. 4 GWB zu verorten.
  • Die Entsprechung zu § 3 Abs. 6 Satz 2 VgV in der europäischen Vergaberichtlinie findet sich in Absatz 2 des Erwägungsgrundes 8, und zwar im Zusammenhang mit der Definition des Bauauftrags. Die losweise Vergabe ist in Art. 46 geregelt, die dazugehörigen Erwägungsgründe sind unter den Ziffern 78 und 79 ausgeführt. Auch dies zeigt, dass es nicht zutreffen kann, die gemeinsame Vergabe von Planungs- und Bauleistungen mit der Vergabe an einen Auftragnehmer gleichzusetzen.
  • Werden Planungs- und Bauleistungen im Sinne des § 3 Abs. 6 Satz 2 VgV getrennt vergeben, würde niemand auf die Idee kommen, dass die Planungsleistungen an nur einen (General-)Planer, die Bauleistungen an nur einen (General-)Unternehmer oder Übernehmer vergeben werden dürfen. Vielmehr greift auch hier selbstverständlich der Grundsatz der losweisen Vergabe. Dies nur deshalb zu anders zu beurteilen, weil Planungs- und Bauleistungen nicht getrennt, sondern gemeinsam vergeben werden, ist nicht folgerichtig.

Das alternative Beschaffungskonzept ist, wie oben ausgeführt, eine der nach den vergaberechtlichen Vorschriften zulässigen Möglichkeiten, den Auftragswert für den Beschaffungsvorgang zu ermitteln. Entscheidend ist, dass, wie in der Verordnungsbegründung dargelegt, der Grundsatz der losweisen Vergabe unabhängig davon gilt, welche Möglichkeit gewählt wird. Nur wenn wirtschaftliche und technische Gründe dies objektiv erfordern, kann der Auftraggeber die einzelnen Lose zusammenfassen und an einen Auftragnehmer vergeben.

5. Welchen Sinn hat dann der § 3 Abs. 6 Satz 2 VgV überhaupt?

Das Vergaberecht verbietet es, Aufträge in einer Weise zu gestalten, dass die Anwendung des Oberschwellenvergaberechts umgangen wird. Es liegt zunächst nahe, ein Bauprojekt immer als Einheit zu betrachten, als einen vergaberechtlichen Auftrag, so dass für die Auftragswertberechnung auch immer alle maßgeblichen Planungs- und Bauleistungen einzubeziehen sind. Erwägungsgrund 8 Absatz 2 der Vergaberichtlinie und entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 2 VgV stellen demgegenüber klar, dass kein Umgehungstatbestand vorliegt, wenn Planungs- und Bauleistungen nicht gemeinsam vergeben werden, sondern getrennt.

6. Nach § 111 Abs. 5 GWB darf die Entscheidung, einen Gesamtauftrag oder getrennte Aufträge zu vergeben, nicht zu dem Zweck getroffen werden, die Auftragsvergabe von den Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen auszunehmen. Wird denn mit dem alternativen Beschaffungskonzept das Oberschwellenvergaberecht nicht in unzulässiger Weise umgangen?

Nein. Das alternative Beschaffungskonzept zeigt lediglich auf, dass das Vergaberecht zwei gleichberechtigte Möglichkeiten bietet, Planungs- und Bauleistungen zu vergeben. Je nach Entscheidung der Vergabestelle treten dann die entsprechenden Rechtsfolgen ein. Dies betrifft zum einen die Frage, welcher Schwellenwert zugrunde zu legen ist, sodann die weitere Frage, welche Leistungen in die Berechnung des Auftragswertes einzubeziehen sind. Wie aufgezeigt, könnte eher eine Umgehungsabsicht naheliegen, wenn Planungs- und Bauleistungen getrennt vergeben werden. Denn naheliegenderweise müssen viel weniger Bauleistungen EU-weit ausgeschrieben werden, wenn eine getrennte Vergabe erfolgt, da hier der Wert der Planungsleistungen von vornherein außer Betracht bleibt. § 111 GWB regelt zudem den Fall, dass verschiedene Teile eines öffentlichen Auftrags unterschiedlichen rechtlichen Regelungen unterfallen, z.B. in Teilen dem allgemeinen Vergaberecht, der VSVgV und der SektVO. Bei der Vergabe von Planungs- und Bauleistungen durch den öffentlichen Auftraggeber tritt diese Konstellation eher selten auf. In keinem Fall hat die gesetzliche Regelung Auswirkungen auf die gemeinsame Ermittlung des Auftragswertes für Planungs- und Bauleistungen.

7. Wie ist weiter zu verfahren, wenn nach dem alternativen Beschaffungskonzept der Schwellenwert in Höhe von 5,538 Mio. Euro nicht erreicht wird? Nach welchem Recht werden die einzelnen Aufträge vergeben?

Nach welchem Recht dann die einzelnen Lose zu vergeben sind, richtet sich nach der Art der Leistung. Planungsleistungen werden nach § 50 UVgO bzw. dem länderspezifischen Unterschwellenvergaberecht vergeben, Bauleistungen nach der VOB/A-Basisparagrafen.

8. Wie sieht es aus, wenn der Schwellenwert in Höhe von 5,538 Mio. Euro erreicht oder überschritten wird? Wenn es sich bei der gemeinsamen Vergabe von Planungs- und Bauleistungen beim alternativen Beschaffungskonzept um einen Bauauftrag handelt, müssten dann nicht auch die Planungsleistungen nach der VOB/A-EU vergeben werden?

110 Abs. 1 GWB regelt, dass öffentliche Aufträge, die verschiedene Leistungen zum Gegenstand haben, nach den Vorschriften vergeben werden müssen, denen der Hauptgegenstand des Auftrags zuzuordnen ist. Hierbei handelt es sich um sogenannte typengemischte Verträge, deren Teile untrennbar miteinander verbunden sind, (siehe Hüttinger in Beck’scher Vergaberechtskommentar, GWB 4. Teil § 110 GWB Rdnr. 13). Beabsichtigt der Auftraggeber Planungs- und Bauleistungen an einen Auftragnehmer zu vergeben, dann werden alle Leistungen auf der Grundlage der VOB/A-EU vergeben werden müssen. Wird hingegen eine Aufteilung in Lose nach den hierfür geltenden Vorschriften vorgenommen, ist sodann auch im Oberschwellenbereich dasjenige Recht heranzuziehen, das für die jeweiligen Leistungen gilt, also für die Planungsleistungen die VgV (insbesondere Unterabschnitt 6), für die Bauleistungen die VOB/A-EU.

9. Was ist mit der 80/20-Regelung? Kommt sie auch beim alternativen Beschaffungskonzept zum Tragen und wenn ja, wie?

Nach § 3 Abs. 9 VgV kann der öffentliche Auftraggeber einzelne Lose nach den nationalen Vorschriften vergeben, wenn der Wert des einzelnen Loses bei Planungsleistungen untrer 80.000.- Euro und bei Bauleistungen unter 1,0 Mio. Euro liegt; die Summe aller Lose darf 20 % des Gesamtauftragswertes nicht übersteigen. Das alternative Beschaffungskonzept fasst einerseits zur Ermittlung des Auftragswerts die Planungs- und Bauleistungen zusammen, andererseits werden dann die Leistungen in Fach- und Teillosen getrennt nach Planungs- und Bauleistungen vergeben. Hier stellt sich die Frage, auf welche Losgröße abzustellen ist.

Das Burgi-Gutachten vertritt hierzu die Auffassung, dass es einerseits naheliege bei den Planungsleistungen nur Einzellose bis 80.000.- Euro zuzulassen, die national vergeben werden dürfen. Es spreche andererseits mehr dafür, dass man diese Vorschrift auf den „Bauauftrag“ bezieht und daher Lose bis zu 1,0 Mio. Euro national vergeben werden können.

10. Das klingt theoretisch schön und gut. Aber wie soll beim alternativen Beschaffungskonzept z.B. der Gesamtauftragswert unter Einbeziehung der maßgeblichen Planungs- und Bauleistungen geschätzt werden, wenn die Bauleistungen im Einzelnen dann doch erst später vergeben werden sollen?

Bei der bisherigen getrennten Ermittlung des Auftragswerts nach Planungs- und Bauleistungen wurde zunächst durch den öffentlichen Auftraggeber der Auftragswert der Planungsleistungen ermittelt. Dies erfolgt in der Praxis auf der Grundlage der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure HOAI und den dort enthaltenen Honorarparametern. Der wichtigste Honorarparameter sind die anrechenbaren Kosten des zu planenden Projekts. Der Bauherr muss also bereits heute bei der getrennten Auftragswertermittlung zunächst die Kosten für das Bauwerk ermitteln. Diese Kosten liegen also bereits bei der Ausschreibung der Planungsleistungen vor.

11. Bei manchen Projekten können von der Vergabe der Planungsleistungen bis zur Ausschreibung der Bauleistungen mehrere Jahre vergehen. Wie ist zu verfahren, wenn der zu Beginn ermittelte Auftragswert nun doch den Schwellenwert überschreitet?

Der Auftragswert ist ordnungsgemäß zu schätzen zum Zeitpunkt, wenn der Beschaffungsvorgang beginnt. Stellt sich später heraus, dass die seinerzeit geschätzten Kosten nicht mehr stimmen, ändert das nichts an dem Umstand, dass ordnungsmäßig geschätzt worden ist. In jedem Fall sollte dokumentiert werden, auf welcher Grundlage der Auftraggeber den Auftragswert ermittelt hat.

12. Muss bei der Ausschreibung angegeben werden, dass nach dem alternativen Beschaffungskonzept verfahren und der Schwellenwert von 5,538 Mio. Euro herangezogen wurde?

Nein, der Auftraggeber hat die freie Wahl zwischen der getrennten und gemeinsamen Auftragswertermittlung von Planungs- und Bauleistungen. Er ist nicht verpflichtet für die Anwendung einer der beiden Verfahren eine Begründung abzugeben. Es gibt daher auch keine Verpflichtung bei der Ausschreibung der Planungs- und Bauleistungen die Bieter davon in Kenntnis zu setzen, wie der Auftraggeber den Auftragswert ermittelt hat.

13. Kann mit dem alternativen Beschaffungskonzept auch ein Stufenvertrag für die Planungsleistungen ausgeschrieben werden?

In einem Stufenvertrag werden die Leistungsphasen eines Leistungsbildes der HOAI nicht in vollem Umfang beauftragt. Im Allgemeinen beauftragt der Auftragnehmer zunächst die Leistungen der LP 1 bis 3 und hält sich die Option offen, auch die weiteren Leistungsphasen zu beauftragen. Aus vergaberechtlicher Sicht werden alle Planungsleistungen dem Wettbewerb unterstellt. Durch die Vereinbarung einer stufenweisen Beauftragung ergeben sich keine Besonderheiten, so dass auch bei dieser vertraglichen Konstellation das alternative Beschaffungssystem angewendet werden kann. Vergaberechtliche Probleme können sich ergeben, wenn der Auftraggeber nach Abschluss des Vertrages die weiteren Stufen einem anderen Planer übertragen möchte. In diesem Fall ist zu prüfen, ob ein erneutes Vergabeverfahren für diesen Leistungsteil durchgeführt werden muss.

14. Kann das alternative Beschaffungskonzept bei allen Bauvorhaben angewendet werden?

Da das alternative Beschaffungskonzept eine Methode ist den Auftragswert zu ermitteln, kann dies unabhängig vom geplanten Bauvorhaben angewendet werden.

15. Gibt es Urteile, die die Anwendung des alternativen Beschaffungskonzepts als vergaberechtskonform bestätigen?

Derzeit gibt es keine Entscheidungen deutscher Vergabesenate oder des Europäischen Gerichtshofs, die sich mit dem alternativen Beschaffungskonzept beschäftigt haben.

 

Sabine von Berchem/Dr. Volker Schnepel